Jubiläum

Acetylsalicylsäure: Jahrhundertpharmakon feiert seinen 125. Geburtstag

Collage 125 Jahre ASS

Als es im Jahr 1897 in den Bayer-Laboratorien erstmals gelingt, die Acetylsalicylsäure (ASS) in reiner und haltbarer Form herzustellen, ahnte wohl niemand, dass die Substanz später unter den Handelsnamen Aspirin weltweit Furore macht. Noch heute gehört der Wirkstoff zu den meistproduzierten und meistverwendeten Arzneimitteln der Welt. 
 

Erfolgsgeschichte eines Jahrhundertpharmakons

Die Acetylsalicylsäure gehört zu den pharmazeutischen Wirkstoffen, die sowohl Medizinern als auch den Patienten gleichermaßen bekannt sind. Schon im Jahr 1969 fliegt das Medikament mit Neil Armstrong zum Mond und ist Bestandteil der Bordapotheke. Eine amerikanische Studie im Jahr 1977 belegt erstmals, dass Acetylsalicylsäure bei bestimmten Patienten einem Schlaganfall vorbeugen kann. Im gleichen Jahr stellt die Weltgesundheitsorganisation ihre „Liste der unentbehrlichen Arzneimittel“ vor. Der Aspirin-Wirkstoff ist dort als Analgetikum aufgeführt. 1982 erhält der britische Pharmakologe Sir John Vane für die Aufklärung des Wirkmechanismus von Acetylsalicylsäure den Nobelpreis in Medizin. Er konnte nachweisen, das ASS die Bildung von Prostaglandinen (sogenannten körpereigenen Botenstoffen) im menschlichen Organismus hemmt und auf diese Weise schmerzlindernd, fiebersenkend und entzündungshemmend wirkt. Im Jahr 2004 entdeckt dann der britische Forscher Professor Derek W. Gilroy die entzündungshemmende Wirkung niedrig dosierter Acetylsalicylsäure und leistet somit neben Nobelpreisträger Vane einen weiteren wichtigen Beitrag zur Aufklärung des Wirkmechanismus der Substanz.

Aspirin-Produktionsstätten damals und heute

Die Entstehung: Auf der Suche nach einem verträglichen Schmerzmittel

Lange Zeit kannte man die schmerzlindernde Wirkung der Weide. Bereits die Ärzte der Antike, wie z.B. Hippokrates von Kos, wussten um die schmerzlindernde Wirkung des Saftes, der aus der Rinde dieser Bäume gewonnen wurde. Die darin enthaltene natürliche Salicylsäure wurde viele tausend Jahre gegen Schmerzen und Fieber eingesetzt. Doch neben all den Vorteilen der Salicylsäure waren im Laufe der Zeit die Nachteile nicht mehr zu übersehen. Neben dem schlechten, bitteren Geschmack reizte sie die Schleimhäute. Das spürte auch der Vater des Bayer-Chemikers Dr. Felix Hoffmann nur all zu heftig. Er litt an quälenden Rheumaschmerzen. Dagegen hatten ihm die Ärzte Natriumsalicylat verordnet - ein widerlich schmeckendes Mittel, das Brechreiz auslöste und seine Mund- und Magenschleimhäute angriff.  

Felix Hoffmann synthetisiert erstmals die Acetylsalicylsäure im Jahr 1897
Portrait Felix Hoffmann
Dr. Felix Hoffmann
(* 21. Januar 1868 in Ludwigsburg; † 8. Februar 1946 in Lausanne)

Obwohl es nicht auf dem Forschungsplan der Firmenleitung stand, widmete sich der Chemiker Dr. Felix Hoffmann in den Bayer-Laboratorien in Wuppertal engagiert der Aufgabe, nach einer Substanz zu suchen, die der Salicylsäure ähnlich war, aber deutlich weniger Nebenwirkungen zeigte. Erfolg hatte der junge Forscher schließlich mit der Acetylierung, das heißt durch die Verbindung von Salicylsäure mit der Acetyl-Gruppe der Essigsäure. Am 10. August 1897 ist Felix Hoffmann dann erstmals die Synthese der Acetylsalicylsäure in chemisch reiner und haltbarer Form gelungen. Zunächst war der für die Prüfung zuständige Pharmakologe noch skeptisch. Doch folgende klinische Prüfungen zeigten die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit der von Hoffmann synthetisierten Verbindung. Damit war der Siegeszug des wohl bekanntesten Schmerzmittels der Welt nicht mehr aufzuhalten: Am 6. März 1899 wurde Aspirin in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin aufgenommen und erhielt seinen offiziellen Namen. 


Zur Markteinführung bekamen die Apotheker Aspirin zunächst in Pulverform in einem Glas geliefert. Als eines der ersten Medikamente wurde es dann 1904 als fertig gepresste Tablette angeboten und war damit fälschungssicher, exakt dosierbar und durch die Massenproduktion relativ erschwinglich.
 

Was bedeutet der Name Aspirin?

Das A steht für Acetyl, Spir für die Spirsäure. Der Begriff »Spirsäure« leitet sich von der Spirstaude (die mit dem Weidenbaum verwandt ist) ab und ist ein Synonym für »Salicylsäure«.

Noch heute ist ASS der meistverwendete und erfolgreichste Wirkstoff der Welt

Mittlerweile wird Aspirin in einem sehr breiten therapeutischen Spektrum angewandt und ist in verschiedenen Konzentrationen und Darreichungsformen erhältlich. Neben der Verwendung als Schmerzmittel wird der Wirkstoff auch bei Erkältungskrankheiten eingesetzt, da er fiebersenkend wirkt. Auch seine keimtötende und entzündungshemmende Wirkung wird genutzt. Außerdem wirkt ASS vorbeugend gegen Thrombosen und zur Nachbehandlung derartiger Erkrankungen oder auch prophylaktisch gegen Schlaganfall und Herzinfarkt verordnet, da der Wirkstoff die Blutgerinnung beeinflusst, indem es die Neigung der Thrombozyten, sich zu verkleben und an den Gefäßwänden abzuscheiden, verringert. 
 

Asprin-Verpackungen damals und heute

Studien konnten zudem einen Zusammenhang zwischen der langfristigen Einnahme von Aspirin und einer Senkung des Auftretens von Darmkrebs zeigen. Darüber hinaus laufen derzeit weitere Untersuchungen zu möglichen antiviralen Eigenschaften von Aspirin, was die Virusvermehrung in Körperzellen anbelangt und dementsprechend auch für die zukünftige Behandlung von Erkältungs- und/oder Corona-Erkrankungen eine positive Rolle spielen könnte.

Aspirin hat wie kein anderes Medikament den Namen Bayer rund um den Globus bekannt gemacht. Wissenschaftler prophezeien Aspirin und der Acetylsalicylsäure noch eine lange Karriere. Wir sind gespannt, welche positiven Überraschungen der erfolgreiche Wirkstoff der Medizinwelt noch bereiten wird. 

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